Fachkräftemangel in veränderlichen Zeiten: Mögliche Strategien für Unternehmen
Von Prof. Dr. Frank Unger, Studiengangsleiter Soziale Sicherung und Sozialverwaltungswirtschaft (BASS) im Fachbereich Sozialwesen an der Hochschule Fulda

Arbeitswelt. Er war über zehn Jahre als Führungskraft tätig und besitzt umfangreiche Erfahrung als Trainer und Coach von Führungskräften und Teams. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Frage von gesundheitsorientierter und leistungsförderlicher Führung.
Der aktuelle Blick auf den Arbeitsmarkt zeichnet ein widersprüchliches Bild: Auf der einen Seite eine schwierige wirtschaftliche Situation und eine damit zusammenhängende verlangsamte Erholung des Arbeitsmarktes nach der Pandemie. Auf der anderen Seite ein dennoch recht stabiler Arbeitsmarkt mit einem Arbeitskräftebedarf auf Rekordniveau. Und auch für das Jahr 2023 wird z. B. bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit spürbaren Zuwächsen gerechnet (z. B. IAB-Kurzbericht 15/2022). Bei aller Unsicherheit – z. B. in der energieintensiven Industrie, im Automobilsektor oder in Berufsfeldern, in denen die Automatisierung zunehmend bestimmte menschliche Tätigkeiten ersetzt – sieht es danach aus, dass sich der Beschäftigungsaufbau in fast allen Zweigen fortsetzt, selbst wenn möglicherweise kurzfristig nicht in allen Bereichen durchgehende positive Entwicklungen festzustellen sind. Vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel wie die strukturellen Veränderungen in zahlreichen Wirtschaftsfeldern, die mit steigenden, teils völlig neuen Qualifikationsanforderungen einhergehen, bleibt das Thema Arbeits-/Fachkräftemangel auch weiterhin eines der wichtigsten Handlungsfelder am bundesdeutschen Arbeitsmarkt! So haben nach einer Studie der Gothaer Versicherung aus dem Jahr 2022 rund 46 Prozent der deutschen kleinen und mittelständischen Unternehmen Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden und zu binden. Und auch hierbei wird deutlich: Eine der Hauptursachen des Fachkräftemangels ist und bleibt der demografische Wandel.
Ein weiterer Grund ist am Übergang „Schule – Beruf“ festzumachen. Zum einen wählen immer weniger junge Menschen einen Ausbildungsberuf (und entscheiden sich vermehrt für ein Studium), zum anderen wird mitunter die fehlende Ausbildungsreife der Schulabgänger:innen beklagt. Nicht wenige Jugendliche, die grundsätzlich für eine Ausbildung in Frage kommen, haben Schwierigkeiten beim Übergang von der Schule in den Beruf und sind nicht ausreichend auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet. So standen 2021 beispielsweise rund 47.500 Schülerinnen und Schüler am Ende ohne Schulabschluss da, das entspricht einem Anteil von 6,2 Prozent. Zudem steigen Ansprüche an die Qualifikation der Bewerber:innen, die somit immer höhere Anforderungen erfüllen müssen. Hinzu kommt das mitunter „problematische Image“ einiger Berufsstände: Junge Menschen sehen z. B. Handwerksberufe (nicht alle – es gibt deutliche Unterschiede) als unattraktiv an und finden wenig Motivation, einen solchen Beruf zu erlernen und auszuüben. Hier können Veränderungen an den Ausbildungs- und Rahmenbedingungen der betroffenen Berufe zu Attraktivitätssteigerungen führen (u. a. durch die Ausbildungsvergütung bzw. das Einkommen nach der Ausbildung sowie bei den Themen Arbeitszeiten, gute Arbeitsmittel oder Aufstiegsmöglichkeiten). Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) betont zudem, dass es bei den „Top 10“ der Berufsgruppen mit dem größten Fachkräftemangel auch geschlechtsspezifische Tendenzen gibt – und das könnte die Situation am Arbeitsmarkt zusätzlich belasten. D. h., dass Geschlechterklischees schon vor der Wahl eines Berufes nicht genügend gebrochen werden.
Gründe für die Fachkräfteproblematik sind jedoch auch organisationsintern zu finden. Beschäftigte klagen nicht selten über unattraktive Arbeitsbedingungen, insbesondere in Bezug auf flexible Arbeitszeitmodelle, Work-Life-Balance/Arbeitsbelastungen, Betriebsklima, Bezahlung und Karrieremöglichkeiten. Sicherlich sind hier auch Zusammenhänge mit einem gesellschaftlichen Wertewandel und veränderten Anforderungen der „jüngeren Generationen“ bzw. einem sich wandelnden Blick auf die Arbeitswelt insgesamt zu erkennen. Dies führt dazu, dass Fachkräfte entweder ins Ausland gehen oder sich für einen Beruf in einem anderen Sektor bzw. zumindest einen Arbeitgeber, der hier bessere Rahmenbedingungen bietet, entscheiden.
Die zuvor genannten Aspekte stellen nur einen kleinen Auszug von Ursachen für den Arbeitskräfte-/Fachkräftemangel dar. Die Thematik ist komplex und hat unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Branchen und Regionen in Deutschland, die hier nur eingeschränkt ausgeführt werden können. Eine langfristige Lösung erfordert daher ein breites Spektrum von Maßnahmen sowie nicht selten auch individuelle Ideen, um den Fachkräftemangel zu beheben. Einige Impulse sollen nachfolgend skizziert werden.
1. Das Erwerbspotenzial besser ausschöpfen
Wenn auch die Beschäftigungsquote von Frauen (Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter von 15 bis 67) in den letzten Jahren stark angestiegen ist (fast 60 Prozent aller Frauen in Deutschland arbeiten in einem sozialversicherungspflichtigen Job), liegt diese weiterhin unter der Quote der Männer. Zudem sind deutliche regionale Unterschiede vorhanden, die auf Potenzial hindeuten. Die Zunahme der o. g. Quote bei Frauen entfällt zudem vorrangig auf Teilzeit, was hauptsächlich an der Notwendigkeit liegt, Sorge- und Erwerbsarbeit „unter einen Hut“ bringen zu müssen. Dabei würden Frauen tendenziell gerne mehr arbeiten und besser verdienen. Stichworte sind u. a. die Verbesserung von Betreuungsangeboten, Flexibilität von Arbeitszeit/-ort und damit einhergehend die Frage von Homeoffice, aber auch Karriereentwicklung – v. a. in Führungspositionen o. ä.). Denn auch die Problematik der unterschiedlichen Verdienste von Mann und Frau ist noch immer vorhanden. In all diesen Punkten haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern eher ein Umsetzungsproblem.
Ältere Beschäftigte stellen ebenso eine bedeutende Ressource dar, die noch nicht vollumfänglich genutzt wird. Sicher gibt es den einen oder anderen älteren Mitarbeitenden, der dem baldigen Ruhestand entgegenfiebert, sich nicht mehr voll einbringt oder sich bei Veränderungen schwertut. Doch nicht selten überstrahlen einzelne Erfahrungen die Einschätzung zu dieser Arbeitnehmergruppe. Dort, wo eine Beschäftigung älterer Mitarbeiter:innen üblich ist, hört man meist positive Beurteilung. Man schätzt z. B. Loyalität und Verantwortungsbereitschaft sowie Leistungsbereitschaft und Resilienz. Dies passt zu Erkenntnissen neuerer Studien, die belegen, dass man das klassische „Defizitmodell des Alterns“ überdenken sollte. Sicherlich lassen im Alter sensorische, motorische und auch manche kognitiven Fähigkeiten nach, jedoch wird das Wissen insgesamt wie auch die sozialen Fähigkeiten eher besser. Und werden nicht genau diese beiden Aspekte in der Arbeitswelt der Zukunft benötigt? Für ältere Beschäftigte sind z. B. ein gutes Arbeitsklima, gegenseitige Unterstützung sowie Autonomie (ein gewisser Grad an Selbstbestimmung – bei klaren Regeln und Zuständigkeiten) besonders wichtig. Eine altersorientierte Personalpolitik kann hier gewiss in allen Altersgruppen weiteres Potenzial entfalten.
Vor allem ältere Arbeitssuchende werden auf dem Arbeitsmarkt vergleichsweise wenig geschätzt. Gleichzeitig werden bei jüngeren Arbeitsuchenden oft vielfältige Erfahrungen gewünscht, die diese wiederum nicht mitbringen – Ältere vermutlich schon. Es gilt, sich diese Widersprüche bewusst zu machen und ggf. auch bei den Ansprüchen etwas vom hohen Ross zu steigen. Das Problem gewisser Vorurteile besteht jedoch insgesamt für den Bereich der arbeitslosen Menschen. Denn trotz deutlicher Personalengpässe reduziert sich die Arbeitslosigkeit nicht in vergleichbarem Maße (v. a. im Bereich langzeitarbeitsloser Menschen, älterer Arbeitsloser und bei Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen), was vielfältige Gründe hat. So kann man feststellen, dass mehr als die Hälfte der arbeitslosen Menschen in Deutschland keine Qualifikation besitzt, die den Anforderungen der meisten Stellengesuche genügt. Sie suchen dann vermehrt eine Tätigkeit im Helfersegment – die offenen Stellen sind jedoch auf Ebene der Fachkräfte zu finden. Wenn (langzeit-)arbeitslose Menschen dann einen Arbeitsplatz gefunden haben, so muss man deren „Onboarding“ gut planen und begleiten. Etwas pointiert dargestellt, genügt es hier nicht, der Person den neuen Arbeitsplatz und die Kollegen vorzustellen, sie mit bestimmten Qualifizierungsangeboten auf die Tätigkeit vorzubereiten oder hin und wieder nach ihr zu sehen. Die lange Auszeit führt nicht selten zu großen Verunsicherungen, zum Teil zu sozialen Ängsten, geringerer Belastbarkeit und eingeschränktem Durchhaltevermögen. Dies sind jedoch alles Punkte, die man im Unternehmen (ggf. mit professioneller Unterstützung von außen) gut in den Griff bekommen kann.
Eine weiterer Ansatzpunkt ist die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland. Unternehmen sollten sich bemühen, eine attraktive Arbeitsumgebung für ausländische Fachkräfte zu schaffen und ihre Integration in das Unternehmen und die Gesellschaft zu unterstützen – sicher ist hier auch die Politik gefragt. Die Wege (inkl. der bürokratischen Hürden) nach Deutschland sind nicht leicht zu überblicken (bzw. zu überwinden). Hier haben die Unternehmen einen Vorsprung, die potenzielle Fachkräfte aus dem Ausland vom ersten Tag des Kontakts an „ganzheitlich“ unterstützen und so z. B. auch die Wohnungssuche organisieren, Behördengänge begleiten, für soziale Vernetzung sorgen oder der Familie entsprechende Perspektiven bieten.
2. Attraktive Arbeitsbedingungen
Unternehmen bemühen sich vermehrt, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, um qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten. Dazu gehört die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten (auch Home-Office, sofern es die Organisation bzw. die Arbeitsbedingungen zulassen) und eine gute Work-Life-Balance. Aktuell wird dabei eine Viertagewoche als Unterstützung dieser und zur Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität diskutiert. Ein Pilotprojekt in Großbritannien ist zurzeit in aller Munde, da es so erfolgreich verlaufen ist, dass die meisten der beteiligten Firmen gleich dabeibleiben wollen. Ein zentrales Ergebnis: Höhere Produktivität und ein niedrigerer Krankenstand.
Weiterhin sind individuelle Karrieremöglichkeiten, ein positives Arbeitsklima sowie eine gute Arbeitsplatzausstattungen wichtige Faktoren. So ist z. B. der Einbezug der Beschäftigten bei der Gestaltung guter Arbeitsbedingungen anzudenken (sog. Job-Crafting). Und auch, wenn beispielsweise die Aufgabe (meist) nicht frei bestimmt werden kann, so bestehen dennoch Möglichkeiten, z. B. über Inhalte, Vorgehen, Zeitstrukturen oder Schwerpunktsetzungen mitzureden. Nicht selten lassen sich mit kleinen Schritten Arbeitsinhalte (Aufgaben, Vielfalt der Tätigkeit, Rückmeldungen), Arbeitsorganisation (Arbeits-/Pausenzeiten, Kommunikationskanäle, Beteiligungsmöglichkeiten …) oder Arbeitsbedingungen (Reduktion von Lärm-/Schmutzbelastungen, ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen …) optimieren. Hierbei können z. B. regelmäßige Mitarbeitergespräche, die mit aufrichtigem Interesse und einer dialogischen Grundhaltung geführt werden (Entwicklungsdialoge), eine gute Basis für den offenen Austausch und das Erkennen von Veränderungsbedarf im Unternehmen sein. Denn die Mitarbeitenden wissen meist am besten, wo es hakt und was besser werden kann („Was brauchen Sie, um Ihre Arbeit gut erledigen zu können?“). Studien zeigen, dass sich der zum Teil hohe Aufwand lohnt und eine motivierende wie leistungsförderliche Wirkung entfaltet.
Dass sich in puncto „attraktive Arbeitsbedingungen“ in KMU viel tut, belegt z. B. die Gothaer KMU-Studie 2022. Insbesondere die Themen flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, attraktives Gehalt / betriebliche Altersvorsorge,
Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten werden vermehrt eingesetzt. Dennoch werden verschiedene Handlungsfelder in der Studie beschrieben: „Was die systematische Umsetzung verschiedener HR-Maßnahmen betrifft, haben KMU noch Luft nach oben. 34 Prozent geben an über eine Recruiting-Strategie zu verfügen. 29 Prozent der Unternehmen setzen auf ein strukturiertes Onboarding neuer Mitarbeitender. Ein Talentmanagement-Konzept […] findet in 25 Prozent der Unternehmen Anwendung. 35 Prozent setzen keine der genannten Maßnahmen um.“
3. Talentakquise
Die Talentakquise in Unternehmen bezieht sich auf den Einsatz verschiedener Methoden und Technologien, um talentierte Kandidat:innen zu identifizieren, anzusprechen und für den Betrieb zu gewinnen. Hierbei ist es wichtig, die verschiedenen Generationen im Blick zu haben, um die Ansprache passgenau auszurichten. Sicherlich gibt es Arbeitsbedingungen, die generationenübergreifend Bestand haben und Motivation, Zufriedenheit und Bindung stärken können. Zugleich lässt sich rund alle 10 bis 15 Jahre eine sog. Intergenerationsdifferenz erkennen: Das ist die Differenz, die bestimmte Altersgruppen in ihren Lebens- und Umgangsformen, Werten und Zielen voneinander trennt1. So gilt z. B. für die Generation X der Anspruch einer guten Work-Life-Balance, für die Generation Y eher eine Art Work-Life-Blending (nicht sichtbare Übergänge / eine Vermischung) und für die Generation Z vermehrt wieder eine klarere Trennung von Work und Life. Doch wenn sich auch die Gen. Z stärker als die vorherigen Generationen einen Beruf wünscht, der sie erfüllt und Spaß macht sowie flache Hierarchien bevorzugt, suchen sie wie die Generationen zuvor einen sicheren Arbeitsplatz, klare Strukturen sowie Wertschätzung und Anerkennung. Im Folgenden sind einige Aspekte der sog. „modernen Talentakquise“ aufgeführt:
- Employer Branding: Unternehmen müssen ihre Arbeitgebermarke auf-/ausbauen und pflegen, um talentierte Bewerberinnen und Bewerber anzuziehen (starke Online-Präsenz, positive Bewertungen auf Jobportalen und Social-Media-Plattformen sowie durch gezieltes Marketing und Public Relations).
- Active Sourcing: Unternehmen nutzen diesen Ansatz, um direkt mit potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten in Kontakt zu treten (z. B. LinkedIn oder Twitter).
- Talent Relationship Management: Unternehmen müssen eine Beziehung zu Talenten aufbauen und pflegen. Dies kann durch regelmäßige Kommunikation erfolgen. Auch eine dezentrale Strategie (insbes. dort Niederlassungen eröffnen, wo Arbeitskräfte sind) ist eine Möglichkeit.
- Gamification: Unternehmen nutzen Spiele und interaktive Inhalte, um die Aufmerksamkeit von Talenten zu gewinnen und sie zu engagieren.
- Datenanalyse: Einsatz von sog. Datenanalyse-Tools.
- Mobile Recruiting: Karriereseiten und Bewerbungsprozesse sind für mobile Endgeräte optimiert.
4. Engagement der Mitarbeitenden erhalten und fördern
Entscheidend für Mitarbeiterbindung ist vor allem die Arbeitsumgebung, ein gutes Team sowie die jeweilige Führungskraft. Insbesondere die Wertschätzung der Mitarbeitenden, also, dass sich jede und jeder Mitarbeitende als Mensch wahrgenommen fühlt („ohne Wenn und Aber“), ist ein wichtiges Merkmal für eine tiefe Arbeitnehmerbindung. Es ist dafür wichtig, dass Führungskräfte sich regelmäßig Rückmeldung von den Mitarbeitenden einholen (z. B. zu den Arbeitsbedingungen, zum Entwicklungsbedarf, zum Wohlergehen / zur Gesundheit, zur Situation im Team, zu möglichen Schwierigkeiten) und diesen auch konstruktives Feedback geben. Dies führt u.a. dazu, dass Beschäftigte besser die Bedeutsamkeit ihrer Arbeit spüren (z. B. ihren Beitrag zum Ganzen, den Sinn und die Wirkung der Tätigkeit), ihnen der individuelle Rahmen und Raum (Autonomie) klar ist und die Beziehung zur Führungskraft gestärkt wird. Weitere Aspekte einer wertschätzenden Kultur sind z. B. Lob und Dankbarkeit ausdrücken, die Mitarbeitenden emotional und fachlich unterstützen, Vertrauen entgegenbringen und Verantwortung übertragen oder die Mitarbeitenden bei Entscheidungen beteiligen. Hierbei ist besonders wichtig, dass man nicht denkt, dass man so agiert, sondern, dass es so tatsächlich ankommt! Dass sich Mitarbeitende einbringen, funktioniert insbesondere dann gut, wenn diese eine sog. „psychologische Sicherheit“ spüren. Hierbei können z. B. folgende Fragen (in Anlehnung an Amy Edmondsons „Die angstfreie Organisation“) helfen: „Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird mir das nicht vorgeworfen. Die Team-Mitglieder sind fähig, Probleme und schwierige Konflikte offen anzusprechen. Wenn ich mit diesem Team arbeite, merke ich, dass meine einzigartigen Fähigkeiten und Talente gebraucht und wertgeschätzt werden“.
Wenn hier auch das Team im Mittelpunkt steht, so ist es meist die Leitungskraft, die entsprechende Rahmenbedingungen fördert oder auch konterkariert. Ob Arbeitszufriedenheit, Engagement, Arbeitgeberbindung oder Wohlbefinden: Führungskräfte haben in allen Bereichen spürbaren (wenn nicht gar den bedeutendsten) Einfluss (nach den Beschäftigten selbst). Organisationen sollten daher sehr viel tun, um auch bei den Führungskräften Arbeitszufriedenheit, Engagement, Arbeitgeberbindung und Wohlbefinden zu fördern sowie deren Kommunikations- und Führungskompetenzen zu stärken. Mitunter ist dies gar die Vorbedingung, dass Führungskräfte für ihren Betrieb mit Leidenschaft eintreten und dieser Funke auf die Mitarbeitenden überspringt. Gute Führung kann man lernen! Hier können z. B. Führungskräftetrainings, Coaching und Praxisbegleitung hilfreich sein.
Schließlich gilt das Thema „Aus- und Weiterbildung stärken“ als eine bedeutende Investition von Betrieben in das Engagement und die Leistungsfähigkeit aller Mitarbeitenden. Hier kommt es im Wesentlichen darauf an, die „Intentions-Verhaltens-Lücke“ besser zu überwinden. Denn die große Mehrheit der Beschäftigten ist grundsätzlich für Weiterbildungen motiviert, sie werden jedoch selten tatsächlich aktiv. Als Gründe werden insbesondere fehlende bzw. nicht passende Angebote sowie „keine Zeit“ oder finanzielle Gründe genannt. Zudem fehlen Möglichkeiten, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Aspekte wie eine lern- und transferförderliche Arbeitsumgebung, Führungskräfte, die den Lernprozess interessiert und aktiv begleiten, die Berücksichtigung der Erkenntnisse zur Gestaltung wirksamer Bildungsprozesse sowie eine Organisation, die Lernen und Entwicklung explizit wünscht und fördert sind nur einige Ansatzpunkte, die an dieser Stelle unterstützen können.
Nicht nur im Bereich des betrieblichen Lernens, sondern beim Thema Fachkräftemangel insgesamt, sind neben bewährten Ansätzen vor allem Mut für neuere Ideen und außergewöhnliche Kampagnen gefragt. Gute Beispiele gibt es viele: Lassen Sie und die die Intentions-Verhaltens-Lücke schließen!
1 Siehe hierzu z. B.
https://boriskasper.de/progress-professionals/generationen
Weitere Informationen und Kontakt unter:
Weiterführende Literatur
Unger, F. (2019). Leben und Lernen in der VUCA-Welt. In: Rocholl, J., Mitsiadis, J., & Pohl, M. (Hrsg.), Zukunft der Bildung – Bildung der Zukunft. Frankfurt: WOCHENSCHAU Verlag, S. 88-120. Unger, F., Sann, U., & Mar-tin, C. (2022). Personalführung in Organisationen der Sozialwirtschaft. Ein Studienbuch. Wiesbaden: Springer VS.