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Erfolgreiche Teamarbeit: Was wirklich zählt!

Prof. Dr. Frank Unger lehrt an der Hochschule Fulda die Schwerpunkte Personalführung, Personal- und Organisationsentwicklung, Kommunikation und Bildung in der Arbeitswelt. Er war über zehn Jahre als Führungskraft tätig und besitzt umfangreiche Erfahrung als Trainer und Coach von Führungskräften und Teams. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Frage von gesundheitsorientierter und leistungsförderlicher Führung. Weitere Informationen und Kontakt unter: www.motivierend-handeln.de

Arbeiten Sie in einem Team? Wenn Sie diese Frage mit einem „Ja“ beantwortet haben, gehören Sie hoffentlich auch zur großen Mehrheit der Teammitglieder, die ergänzend dazu angeben, „sehr gerne“ in einem Team tätig zu sein. Teamwork gilt als bedeutender Arbeitstrend und Organisationen setzen in den letzten Jahrzehnten immer stärker auf den Teamgedanken. Die Arbeit in Teams bietet eine wirksame Antwort auf die vielfältigen, sich schnell verändernden, anspruchsvollen Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt, indem sie beispielsweise Menschen mit verschiedenen Interessen, Fertigkeiten und Fähigkeiten zusammenbringt, um u. a. Aufgaben zu lösen, die eine Person alleine nur (noch) bedingt bewältigen kann. Sie ist jedoch auch eine organisationale Antwort auf den Wunsch vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Selbst- und Mitbestimmung, Selbstwirksamkeit und insbesondere nach mehr Kooperation. Die große Bedeutung der sozialen Verbundenheit und regelmäßiger, persönlicher Begegnungen wurde im Rahmen der Corona-Pandemie vielen von uns mehr als deutlich.

Zahlreiche Untersuchungen bestätigen die Stärken von Teamarbeit – sie zeigen jedoch auch, dass eine solche Arbeitsform Grenzen oder gar Nachteile haben kann. Vorteile liegen klar in der „Multiperspektivität in unsicheren Zeiten und bei komplexen Problemlagen“. Durch die Kombination unterschiedlicher Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder und einer guten Zusammenarbeit werden Teams zu erfolgreichen Problemlösern, um insbesondere anspruchsvolle Aufgaben (wie z. B. herausfordernde Ziele, zeitkritische Projekte, wechselnde Kund*innenwünsche, vielfältige Innovationserfordernisse, flexible Anforderungen der Organisation etc.) zu bewältigen. Man könnte auch von einer Summierung von Kräften, Wissen, Erfahrungen und Fertigkeiten sprechen, die durch Teamarbeit stattfindet. Dabei ergänzen sich die einzelnen Mitglieder, bringen ihre jeweiligen Stärken zielgerichtet ein (was u. a. Kreativität und Innovationen fördert) und gleichen zudem unterschiedliche Fähigkeiten aus (so z. B. auch Leistungsunterscheide). Zudem gibt es Hinweise, dass sich Menschen im Team mehr anstrengen (sog. Köhler-Effekt), sofern entsprechende soziale (Leistungs-)Normen (u. a. klare Ziele und Zielorientierung, eindeutige Rollen, Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme) im Team vorhanden sind. Gegenseitige Unterstützung und Rückmeldung führen zu mehr Arbeitszufriedenheit, Motivation und Wohlbefinden (u. a. schon deshalb, weil Teamarbeit von Beschäftigten meist die bevorzugte Arbeitsweise darstellt).Ein gutes Team beugt zudem Stress und Krankheiten vor, da es wichtige soziale Ressourcen zur Verfügung stellt (z. B. durch positive emotionale Unterstützung und gegenseitige Wertschätzung sowie durch das Bereitstellen von Informationen und fachlicher Hilfe).

Doch nicht selten werden Zweifel an der bekannten Synergieeffekt-Formel des Wirtschaftswissenschaftlers Harry Igor Ansoff (2 + 2 = 5) geäußert. Als ein Beispiel für Grenzen von Teamarbeit wird der sog. Ringelmann-Effekt angeführt. Auf Teams übertragen bedeutet dies, dass eine Zunahme an Teammitgliedern nicht mit einer eindeutigen Leistungssteigerung einhergehen muss, da es in Gruppen (im Vergleich zur Einzelleistung) zu spürbaren Leistungsabnahmen der Gruppenmitglieder kommen kann. Nicht selten reicht die bloße Präsenz von anderen Personen aus, damit sich die Gesamtleistung reduziert. Als weitere Schwierigkeiten im Rahmen von Teamarbeit werden u. a. genannt: Höherer Zeitaufwand für Absprachen und Koordination, eine (mit steigender Anzahl der Teammitglieder) verzerrte Informationsverarbeitung sowie herausfordernde, langwierige und nicht selten qualitativ schlechtere Entscheidungen. Die höhere Wahrscheinlichkeit, dass Nebenschauplätze bearbeitet werden, sich Untergruppen bilden und Konflikte entstehen, werden ebenso als kritische Faktoren beschrieben. Schließlich wird nicht selten von Gruppendenken / Konformitätsneigung in Teams (sog. Group-Think) und größerer Risikobereitschaft berichtet (sog. Risky-Shift-Effekt). Gerade der „Group-Think-Effekt“ kann dazu führen, dass die Vorteile der Teamarbeit weniger zum Tragen kommen. Herrscht beispielsweise ein hohes Streben nach Harmonie bzw. ein sehr starker Teamzusammenhalt vor oder spürt das Team starken Druck, werden Meinungen mitunter zurückgehalten, Diskussionen oder Konflikte vermieden, um das Teamklima zu erhalten und weiter in der „Team-Komfortzone“ verweilen zu können. Man versucht, möglichst schnell Entscheidungen zu treffen, die dem Mainstream entsprechen oder auf Impulsen von meinungsstarken Teammitgliedern (und/oder der Führungskraft) beruhen. Kritische Meinungen werden selten geäußert oder nicht berücksichtigt, grundlegenden Annahmen für Entscheidungen nicht in Frage gestellt oder „Abweichler*innen“ gar unter Druck gesetzt. Als eine Konsequenz entsteht im Team die Illusion, dass alle einer Meinung sind.

Um die positive Kraft des Teams zu nutzen und dem Group-Think-Effekt entgegenzuwirken, können Führungskräfte bzw. Teams zum Beispiel folgende Aspekte berücksichtigen.

  • Führungskräfte sollten ausdrücklich alle Teammitglieder ermutigen (regelmäßig – nicht nur in Teambesprechungen oder Workshops), Einwände und Kritik offen zu äußern, sich gegenseitig Feedback zu geben und mit kritischen Rückmeldungen wertschätzend wie konstruktiv umzugehen (das gesamte Team kann darauf achten). Dafür ist neben Vertrauen auch Humor im Team nicht zu unterschätzen (Lachen und Spaß haben sind wichtig und schaffen Verbindung).
  • Bildung von mehreren Teil-/Projektgruppen, die zunächst getrennt voneinander am gleichen Thema arbeiten (für Team-Brainstorming kann das bedeuten, dass jede*r erst für sich denkt und die eigenen Ideen aufschreibt, ehe man sich Lösungen in der Gruppe anschaut und diese diskutiert).
  • Übernahme der Rolle des „advocatus diaboli“ durch ein Gruppenmitglied, das dann ausdrücklich eine andere Perspektive als der Großteils des Teams einnimmt. Man kann z. B. durch bewusste Zuspitzungen und übertriebene Gegenpositionen andere Sichtweisen einbringen. Wichtig ist nur, dass die Rolle zuvor klar kommuniziert wurde und im Team anerkannt ist sowie in regelmäßigen Abständen die Rolle zwischen den Teammitgliedern wechselt.
  • Regelmäßig Impulse von Außenstehenden einholen.
  • Trotz Entscheidung (sofern Zeit vorhanden) nach einigen Tagen kurz zusammenkommen und die Konsequenzen nochmals bedenken.
  • Fehler sind erlaubt: die Qualität der psychologischen Sicherheit analysieren und diese bei Bedarf verbessern.

Für dauerhaft wirksame Teamarbeit gilt als sehr bedeutend, dass alle Teammitglieder Vielfalt und Unterschiedlichkeit im Team schätzen sowie zielgerichtet nutzen, alle Personen in Entscheidungsabläufe so gut es geht miteinbezogen werden sowie eine ausgeprägte Fähigkeit vorhanden ist, mit unterschiedlichen Meinungen oder Konflikten konstruktiv umzugehen. Teams mit überdurchschnittlichen Ergebnisse haben u.a. besser gelernt, mit der Unterschiedlichkeit ihrer Mitglieder produktiv-wertschätzend umzugehen. Die Verschiedenheit der Teammitglieder wird dort nicht als Gegensatz, sondern als Bereicherung, nicht als Problem oder Hemmnis, sondern als wertvolle Grundbedingung für gelingende Teamarbeit verstanden.

Ergänzend hierzu nennt eine Studie aus dem Jahr 2019² vier wesentliche Faktoren, die erfolgreiche Teamarbeit ausmachen:

  • Zielorientierung (alle im Team haben ein klares Verständnis in Bezug auf die Aufgaben/Ziele, individuellen Verantwortlichkeiten, aufgabenspezifische Kooperationsnotwendigkeiten sowie Leistungserwartungen an die Teammitglieder. Die Arbeit orientiert sich an festgelegten Kennzahlen und überprüft diese auch regelmäßig).
  • Kommunikation (es kann im Team nicht genug Austausch geben – zugleich sollte er in einem gewissen Rahmen und vor allem mit guter Qualität stattfinden. Es sollten formelle wie informelle Kommunikationsgelegenheiten vorhanden sein, die helfen sich auszutauschen, zu diskutieren und sich gegenseitig zu verstehen. Eine offene, dialogische Kommunikation ist vor allem für virtuelle Teams bedeutsam).
  • Führung (Führungskräfte sollten als Vorbild fungieren und qualitativ hochwertige Beziehungen zu den Teammitgliedern pflegen, die Erwartungen an das Team und die/den Einzelnen klar kommunizieren – dabei einen überkontrollierenden Führungsstil vermeiden, die Selbstständigkeit und die Kompetenzen ihrer Teammitglieder fördern, gute Leistung explizit anerkennen, ansprechbar sein sowie für angemessenen Informationsfluss sorgen – d. h. regelmäßig nachfragen, ob ausreichend Informationen vorhanden sind, was noch benötigt wird etc.).
  • Psychologische Sicherheit (die Teammitglieder erleben eine Teamkultur, in der sie sich sicher fühlen, um frei agieren und offen ihre Meinung äußern zu können. Alle im Team – auch die Führungskraft – wissen um ihre individuellen Stärken, jedoch auch um ihre Schwächen und sind bereit, diese auch offen zu zeigen).

Wie können Sie im Team die Qualität der psychologischen Sicherheit „testen“? Teams können sich z. B. folgende Fragen stellen, die aus der Forschung von Amy Edmondson stammen³:

  • Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird mir das nicht vorgeworfen.
  • Die Teammitglieder sind fähig, Probleme und schwierige Konflikte offen anzusprechen.
  • Menschen in diesem Team lehnen niemals andere ab, weil sie in irgendeiner Weise anders sind.
  • In diesem Team ist es sicher, ein Risiko einzugehen.
  • Es ist einfach, andere Teammitglieder um Hilfe zu bitten.
  • Niemand in diesem Team würde bewusst meine Leistung oder Anstrengungen untergraben.
  • Wenn ich mit diesem Team arbeite, merke ich, dass meine einzigartigen Fähigkeiten und Talente gebraucht und wertgeschätzt werden.

Um den Status quo des Teamworks herauszuarbeiten, die Leistungsfähigkeit, den Zusammenhalt sowie die individuellen Teamkompetenzen zu fördern, bieten sich (neben verschiedenen, regelmäßigen Interaktions- und Besprechungsformaten) Maßnahmen der Teamentwicklung an.

Hierbei sollte man sich auf vier Bereiche bzw. Fragestellungen besonders konzentrieren:

  • Wohin wollen wir als Team (Zielklarheit)?
  • Wie arbeiten wir zusammen (Teamarbeits- und Kommunikationsprozesse)?
  • Wer übernimmt welche Aufgaben (Rollen- und Verantwortungsklarheit, gerechte Aufgabenverteilung)?
  • Wie gehen wir miteinander um (Team-/Beziehungsorientierung)?

Wenn es um die Frage von wirksamen Teamentwicklungsformaten geht, werden vor allem folgende drei Bereiche betont:

  • Team-Workshops (z. B. interaktive Diskussionen über die Zwecke und ­Ziele des Teams)
  • Simulationstrainings, bei denen Teams verschiedene Fähigkeiten üben, die sie auch tatsächlich anwenden (z. B. schwierige Gesprächssituationen, gegenseitiges Feedback geben, Design Thinking Prozesse, „Notfall-/Vertretungssituationen).
  • Situative Teamreflexionen, bei denen sich die Teammitglieder in Echtzeit Feedback zur Arbeit geben (z. B. gegenseitige Hospitationen mit strukturiertem Feedback) und besondere Situationen aus der Vergangenheit aufarbeiten.

Insgesamt scheinen vor allem Ansätze erfolgreich, die im Vorfeld die konkreten Bedarfe abfragen (und dann auch entsprechend berücksichtigen), die (inter-)aktive Einbindung aller Teammitglieder ermöglichen sowie in der Nachbetrachtung sich um Wirkungsfragen bemühen (also z. B. wo – ganz konkret – verhalten wir uns in der Teamarbeit tatsächlich so, wie im Training eingeübt?). Hierfür muss im Alltag eine lernförderliche Organisationskultur vorhanden sein. Lernförderliche Arbeitsumgebungen und eine das Lernen unterstützende Führung sind mit die bedeutendsten Hebel für die Umsetzung von Workshopinhalten und für nachhaltigen Trainingserfolg.

Verschiedene Befunde zeigen, dass sich die zeitlichen wie finanziellen Investitionen in Teamentwicklungsmaßnahmen auszahlen und Teammitglieder zufriedener sind sowie leistungsfähiger zusammenarbeiten. Die zuvor genannten Aspekte können entscheidend dazu beitragen, dass TEAM nicht als Akronym für „Toll ein anderer macht‘s“, sondern vielmehr als „Together everyone achieves more“ (gemeinsam erreichen wir mehr) verstanden und vor allem tatsächlich so gelebt wird.


1 In einigen Befragungen beträgt die Zustimmung 95 % zur Frage, ob man gerne in einem Team arbeitet.
2 Es handelt sich um die Ausführungen von Pela und Zimmermann (2019, siehe Fußnote 1).
3 Fragen Sie z.B. auf einer Skala von 1 bis 7 nach der Zustimmung zu diesen Aussagen. Lesenswert in diesem Kontext ist das Buch von A. Edmondson: „Die angstfreie Organisation: Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen“ (Vahlen Verlag, 2020). Die Originalfragen finden sich z.B. bei Edmondson (2020, S. 18).