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Die digitale Balance fördern: Gesund und leistungsfähig in der Arbeitswelt 4.0

Notwendige Routine oder bereits ein „Gute-Laune-Killer“, (noch) unsicheres Terrain und Stress oder „der Himmel auf Erden“ sowie ein Produktivitätsschub: Mobiles Arbeiten – insbesondere Homeoffice – ist derzeit in aller Munde und die Diskussion über Vor- und Nachteile wird durchaus kontrovers geführt. Sicher ist, die Digitalisierung wie die voranschreitende technische Entwicklung beeinflussen die Arbeitswelt grundlegend und wirken sich folglich auch auf Arbeitsprozesse und -formen aus. Wir sind auf dem Weg in die Arbeitswelt 4.0, die veränderte Anforderungen u. a. an Organisation, Führung, Teams und Mitarbeitende, Arbeitskonzeptionen und die Leistungsfähigkeit stellt. Die Corona-Pandemie hat diesem Trend aktuell nochmals einen deutlichen Schub verliehen. Unternehmen wie Beschäftigte mussten Themen wie flexibles, selbstgesteuertes Arbeiten, Kommunikation nach innen wie nach außen, den Einsatz digitaler Tools oder virtuelle Führung und Zusammenarbeit teilweise über Nacht neu denken und umsetzen. Neben ökonomisch-organisatorischen Herausforderungen ist hier vor allem die psychologische Perspektive bedeutend. Digitale Arbeitsverdichtung, häufige Unterbrechungen, Multitasking oder unzureichend funktionierende Hardund Software: Belastungsfaktoren und Stress am Arbeitsplatz haben viele Gesichter und auch Homeoffice kann einige Aspekte nur unter bestimmten Rahmenbedingungen verbessern. Selbst (oder gerade) in stürmischen Zeiten sind eine gute Balance sowie Fragen der Gesundheitsförderung sehr wichtig, denn Wohlbefinden hat für unser Gehirn oberste Priorität. Es ist eine bedeutende Größe, wenn es um Motivation, Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit geht.

Auch die Digitalisierung hat enormen Einfluss2 auf die Work-Life-Balance und nimmt daher eine zentrale Position in der gegenwärtigen Gesundheitsdiskussion ein. Sie kann unterstützend und gar gesundheitsförderlich oder belastend und gesundheitsschädigend sein. Aktuelle Untersuchungen weisen beispielsweise darauf hin, dass Beschäftigte durch die Digitalisierung der Arbeitswelt eine Steigerung der eigenen Produktivität wahrnehmen, mehr Informations- und Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung haben, einen größeren Entscheidungsspielraum erleben und über gesteigerte Flexibilität sowie körperliche Entlastungen berichten. Zugleich werden jedoch zunehmende Belastungen ersichtlich: Es wird über Zusammenhänge zwischen Digitalisierung und emotionaler Erschöpfung sowie Konflikten zwischen Arbeit und Familie berichtet. Erwerbstätige mit digitalem Stress geben häufiger an, dass sie Probleme haben, von der Arbeit abzuschalten, denken öfter daran, die Arbeitsstelle zu wechseln und zeigen mitunter schlechtere Leistung.

Zu ähnlichen Befunden gelangen Studien zum Homeoffice. Einerseits können die Beschäftigten ihre Arbeit selbstständiger planen (größere Zeit-/ Ortsunabhängigkeit), spüren mehr Entscheidungsfreiheit sowie Mitspracherechte. Sie betonen, (etwas) mehr Arbeit bewältigen, konzentrierter und produktiver arbeiten zu können. Zudem entfällt der Weg zur Arbeit, was u. a. die Tagesorganisation erleichtert und auch stressreduzierend wirkt. Doch dies ist bei nicht allen Befragten so. Es gibt durchaus Beschäftigte im Homeoffice, die über stärkere psychische Belastungen im Vergleich zu Personen, die nur an ihrem Arbeitsplatz tätig sind, klagen. Zudem fühlen sie sich erschöpfter, sprechen häufiger über Wut und Verärgerung. Zudem wird zum Teil von Lustlosigkeit, Konzentrationsproblemen und Schlafstörungen berichtet. Doch vor allem die fehlenden Kontakte zu Vorgesetzen und Kolleg*innen, wenig Möglichkeiten der kurzfristigen Absprachen, unzureichende Arbeitsmaterialien sowie Schwierigkeiten der Trennung von Beruf und Privatleben (v. a. bei zusätzlichen Betreuungsaufgaben) scheinen die Magie des Homeoffices (zumindest in der aktuellen Dauervariante) etwas zu trüben.

Blickt man auf die Vor- und Nachteile, ist es nicht verwunderlich, dass Beschäftigte auf die Frage, ob durch Digitalisierung und/oder Homeoffice die psychische Gesundheit leidet, insgesamt keine eindeutige Antwort geben (wenngleich eine leichte Tendenz zu „ja“ festzustellen ist). Und auf die Frage, wie sie künftig arbeiten möchten, wünschen sie sich überwiegend ein hybrides Modell, das durchschnittlich mit drei Tagen Präsenz und zwei Tagen Homeoffice (bzw. mobilem Arbeiten) angegeben wird. Die derzeitigen Erfahrungen zeigen, dass in einer sinnvollen Dosierung Digitalisierung wie auch Homeoffice das Wohlbefinden wie die Produktivität fördern können. Dies vor allem, wenn Beschäftigte Unterstützung und Vertrauen spüren, eine regelmäßige Kommunikation erfolgt, sie eine gute Selbststeuerung und entsprechende digitale Kompetenzen besitzen, angemessene Arbeitsmittel/-umgebungen zur Verfügung stehen und die digitale Balance stimmt. Gesundheit und Leistungsfähigkeit in der Arbeitswelt 4.0 ist folglich nicht voraussetzungsfrei. Die Frage des Erhalts und der Verbesserung dieser Themenbereiche nimmt in einer digital-veränderlichen Welt spürbar an Bedeutung zu.

Im Arbeitskontext sind es vor allem vier Faktoren, die nachweislich die individuelle Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinflussen können. Für jeden der Aspekte werden nachfolgend einige Beispiele aufgeführt:

  1. Jede*r für sich
  2. Direkt vorgesetzte Führungskraft
  3. Das Team
  4. Die Organisation.

„Jeder ist seiner Glückes Schmied“ gilt auch als Basis für Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Neben den Klassikern guter Schlaf, gesunde Ernährung, gute soziale Verbindungen und ausreichend Bewegung, sind Fragen der achtsamen Nutzung digitaler Geräte (hier v. a. Selbstdisziplin, bewusster Verzicht, Pausenzeiten etc.) wie der persönlichen Erholung während und außerhalb der Arbeitszeit von Bedeutung. Denn dauerhaft gelingt gute Leistung nur mit qualitativ hochwertigen Pausen. Arbeitszeit-Pausen sollten folgende vier Aspekte beinhalten: Bewegung, frische Luft, mentales Loslassen der Arbeitsinhalte (und des Smartphones) sowie soziale Kontakte. Jedoch auch im privaten Umfeld muss das Thema Erholung und Ausgleich wieder eine stärkere Bedeutung erhalten. Der aktuelle Freizeitreport zeigt, dass wir zunehmend mehr Stress ebenso außerhalb der Arbeitszeit spüren (bzw. uns selbst verursachen), häufiger digitale Geräte nutzen, dafür weniger soziale Aktivitäten genießen. Und seit Jahren sinkt die bewusste Erholung in der Freizeit. Somit ist der wachsende (digitale) Stress nicht lediglich ein Arbeitsweltphänomen, sondern findet ähnlich stark im Privatleben statt. Möglichkeiten, sich gesundheitsförderlich zu verhalten und seine eigene digitale Balance positiv zu beeinflussen, gibt es viele und bestimmtes Wissen darüber ist bei den meisten Menschen vorhanden. Leider steht uns nicht selten die sog. „Intentions-Verhaltens-Lücke“ im Weg. Diese Lücke bedeutet, dass wir Menschen trotz guter Absichten diese oftmals nicht in die Tat umsetzen. Neben dem mitunter fehlenden Willen sind es beispielsweise ungünstige Rahmenbedingungen, die der Umsetzung im Weg stehen. Und an dieser Stelle können Führungskräfte, das jeweilige Team und die Organisation mit niederschwelligen Impulsen eine nachhaltige Umsetzung unterstützten.

Führungskräfte haben enorme Einflussmöglichkeiten auf Engagement, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Allein als „gesundes Vorbild“ entfalten sie bereits Wirkung: Wie eine Führungskraft mit Belastungen umgeht und welchen Stellenwert sie der Gesundheit beimisst, wirkt sich auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Führungskraft und der Mitarbeiter*innen aus. Führungskräfte, die die Arbeits- und Lebensgestaltung der Mitarbeitenden unterstützen sowie Freiheiten der Belegschaft stärken, bewirken, dass diese heiterer, vitaler und leistungsfähiger werden. Dabei spielt vor allem die Beziehungsgestaltung eine zentrale Rolle (dies ist jedoch keine Einbahnstraße, sondern nur wechselseitig möglich). Solche Impulse bedeuten nicht, dass man keine Leistung mehr fordern sollte oder dass es sich um „WellnessLeadership“ handelt. Leistungsorientierung und Gesundheit schließen sich nicht aus – im Gegenteil. Untersuchungen belegen: In Unternehmen, in denen die Führungskräfte sowohl ergebnisorientiert als auch menschorientiert führen, sind die Mitarbeiter*innen deutlich gesünder, zufriedener und motivierter. Die direkt vorgesetzten Führungskräfte sollten für ihre Beschäftigten u. a. konkrete Aussagen dazu treffen können, was jede Person benötigt, um dauerhaft gute Arbeit leisten zu können, wie diese gelobt und wie kritisiert werden möchte, was sie antreibt, belastet, sie sich wünscht und welches Entwicklungspotenzial vorhanden ist, welchen Rahmen und Raum sie produktiv werden lässt, ob sie sich Menschen im Unternehmen tief verbunden fühlt und Führung als vertrauensvoll, fair sowie unterstützend empfindet.

Gegenseitige Anerkennung und Unterstützung sind zugleich wichtige Stellschrauben für die „Teamgesundheit“. Auf Teamebene sind zudem u. a. folgende Punkte zu analysieren: Wie sieht es mit der Kommunikationskultur aus? Wie störungsfrei kann jede*r arbeiten, gibt es Zeitfenster für Fragen und Besprechungen9 ? Sind Rollen und Rahmenbedingungen klar, die Aufgaben gerecht vergeben und steht allen ein ausreichender Raum für Selbstbestimmung und Arbeitsgestaltung zur Verfügung? Werden Erfolge des Teams in Besprechungen gewürdigt oder geht es meist nur um „Problembewältigung“ und Kritik? Ist eine ausgeprägte psychologische Sicherheit vorhanden (wie stark stimmen Beschäftigte in einer anonymen Befragung folgender Aussage zu: „Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird mir das nicht übelgenommen“)? Sind die Teammitglieder verlässlich, kritikfähig sowie strukturiert? Fördert die Art und Weise der Organisation den Teamzusammenhalt?

Den äußeren Rahmen für Gesundheit und Leistungsfähigkeit bildet schließlich die jeweilige Organisation, die u. a. auf die Gestaltung der Arbeitstätigkeit und der betrieblichen Arbeitsbedingungen Einfluss nehmen kann. Unternehmen, die einen besonderen Fokus auf Leistung und Gesundheit legen, sind innovativer als die Konkurrenz, haben weniger Fluktuation, dafür zufriedenere Kunden und Mitarbeitende. Diejenigen, die die Gesundheitsorientierung als ein zentrales Ziel fokussieren, haben gar eine rund dreifach höhere Wertschöpfung. Gesundheitsförderung lohnt sich also und sollte mehr sein, als ein Gesundheitstag pro Jahr. Studien zeigen jedoch, dass es recht schwierig ist, Beschäftigte durch betriebliche Interventionen spürbar in ihrem gesundheitsorientierten Verhalten zu stärken. Gleichwohl können dauerhafte Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und der Gesundheitsförderung durchaus nachhaltige Wirkung entfalten. Folgende Bereiche können Unternehmen zur Förderung der digitalen Balance analysieren und gestalten:

  • Partizipative Entwicklung einer digitalen Agenda für Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit, die u. a. neue Formen wie Homeoffice berücksichtigt, Fragen von Zeit- sowie Ortssouveränität klärt und zugleich verlässliche, faire Strukturen in einer veränderlichen Welt bietet (Flexibilisierung und psychologische Sicherheit).
  • Gesundheitsförderung im Tagesgeschäft stärken, z. B. durch Angebote von aktiven Pausen, elektronische Pausen-Erinnerungssystemen (z. B. Wearables oder Gesundheits-Apps), autonomie- wie kompetenzförderliche Arbeitsaufgaben und -umgebung. Zudem für Rollenklarheit, Vorhersehbarkeit, Gestaltbarkeit und Bedeutsamkeit der Arbeit (Sinn) sorgen.
  • Gesundheitsförderliche Arbeitsmittel und -umgebung bereitstellen. BGM muss sich verstärkt um Fragen des mobilen Arbeitens kümmern.
  • Regelmäßiges Training und Coaching von Führungskräften, Mitarbeitenden oder auch Teams z. B. zu Verhältnis- und Verhaltensprävention. Im Sinne der digitalen Balancen auch Angebote zu Chancen und Risiken digitaler Werkzeuge, zu virtueller Führung und Zusammenarbeit, Zeit- und Selbstmanagement, Resilienz-Stärkung unterbreiten. Zudem Beratungsangebote im Kontext der Digitalisierung zur Verfügung stellen.
  • Gut funktionierende, die Mitarbeitenden tatsächlich unterstützende Technik sinnvoll einsetzen und Beschäftigte digital befähigen, um einerseits die Flexibilität und Unabhängigkeit von diesen zu fördern, andererseits ein kompetentes, selbstgesteuertes wie teamorientiertes Arbeiten zu ermöglichen.

Insgesamt werden gemeinsame Gesundheitszirkel und Workshops wichtiger als Arbeitsplatzanalysen, wenn es darum geht, organisationsbezogene Handlungsfelder der betrieblichen Gesundheitsförderung zu identifizieren und Angebote im Sinne aller Beschäftigten zu entwickeln.

Bei der Vielfalt an Möglichkeiten gilt für Führung, Teamzusammenarbeit und Unternehmen gerade im Zeitalter der Digitalisierung: Wie die Mitglieder einer Organisation miteinander zwischenmenschlich umgehen, stellt so gut wie jede andere betriebliche Stellschraube in den Schatten! Mitarbeiterorientierung, Autonomieförderung und soziale Unterstützung am Arbeitsplatz können die Gesundheit wie Leistungsfähigkeit spürbar fördern. Ein positives Menschenbild gilt dabei als eine der stärksten Führungstechniken überhaupt. Bietet die Organisation gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen und achtet zudem jede*r auf die eigene (digitale) Balance, sind Sie gut gerüstet für die kleinen und großen Herausforderungen der Arbeitswelt. Für all´ das, was die Zukunft für Sie bereithält, wünsche ich Ihnen und den Menschen, die Ihnen anvertraut sind, Gesundheit, eine positive Haltung und qualitativ hochwertige Beziehungen: Alles wichtige Bedingungen für ein glückliches, erfolgreiches Leben!