Die Brückenfunktion der Jobcenter
Veränderungen bedeuten Chancen und Herausforderungen oder, wie Dr. Klaus Bermig bemerkte: „Die Welt ist eine andere als vor zwanzig Jahren bei Einführung der Reformen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (‚Hartz IV‘). Es geht um Fach- und Arbeitskräftemangel statt um Massenarbeitslosigkeit. Die Finanzkrise, der Syrienkonflikt, die Pandemie, der Ukrainekrieg und die Energieknappheit waren und sind die Herausforderungen, deren Bewältigung eine Reform der Reform erfordert.“
Für Dr. Christa Larsen vom IWAK ist neben dem Strukturwandel der Arbeitswelt, der Digitalisierung und der Frage der Nachhaltigkeit vor allem die demografische Entwicklung der zentrale Faktor. In der Einführung des Bürgergelds erkennt sie drei wesentliche Momente, die zu Veränderungen führen: Die Verschiebung der Anreizstruktur, den Wegfall des Vermittlungsvorrangs in Verbindung mit einer Stärkung der Qualifizierung durch monetäre Anreize und dem ganzheitlichen Coaching sowie der Änderung der Kundenstruktur im Jobcenter.
Die nicht umkehrbare demografische Entwicklung („Sie ist der Treiber!“) macht die Wissenschaftlerin an der Zahl der jährlichen Renteneintritte in Frankfurt fest: Sie lag im Jahr 2020 bei 6.120 und erreicht ihren Höhepunkt im Jahr 2032 mit 17.700. Durch die Pandemie sieht sie eine Verstärkung des Fachkräftemangels im Handwerk, bei den IT-Berufen, der Logistik und im sozialen Bereich bei einer gleichzeitigen Verschlechterung der Perspektiven in bestimmten Dienstleistungssegmenten, besonders für Geringqualifizierte und Ungelernte. Daraus ergibt sich für die Einschätzung der Nachhaltigkeit von Beschäftigung die Prognose:
Die Berufe mit sicherer Perspektive durch die hohe Nachfrage und die wirtschaftlich-gesellschaftliche Nachfrage liegen beim Handwerk (Elektro, Gas/Wasser/Sanitär, Bau), bei den Sozialberufen (Pflege, Gesundheit, Erziehung), IT und den Green Jobs. Unbestimmte oder unsichere Perspektiven durch schwankende Nachfrage und nicht immer vorhandene wirtschaftliche Stabilität sind zu erwarten für Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, für den stationären Einzelhandel und das Büromanagement.
„Die Brückenfunktionen des Jobcenters different denken“, ist ihre Forderung und Empfehlung. Das heißt konkret: Zugänge verschaffen zu Berufen und Branchen mit einer sicheren Perspektive, die ein auskömmliches Einkommen ermöglichen; den Zielgruppenbezug gegenüber dem Betriebsbezug verstärken; von der punktuellen Kooperation bei gemeinsamen Events eine Fortentwicklung zu einer integrierten Arbeits- und Fachkräftestrategie im Schulterschluss der Arbeitsmarktakteure (Jobcenter, Arbeitsagenturen, Kammern, Wirtschaftsförderung).
Das Jobcenter erfüllt sodann eine Brückenfunktion zum niederschwelligen Arbeitsmarktzugang für Personen ohne Berufsabschluss, mit Defiziten in der Sprache, die im unteren Entgeltbereich eine Beschäftigungsmöglichkeit haben. Das bedeutet: Durch individuelle Begleitung ein Sprungbrett in nachhaltige Beschäftigungsbereiche schaffen.
Daraus leitet Dr. Christa Larsen für das Jobcenter das Ziel ab: „Die Brückenfunktion bewusst gestalten, weiter entwickeln mit den Chancen und Möglichkeiten, die sich durch das Bürgergeld und dessen Anwendung in der Praxis ergeben.“