Bedarfsgerechtigkeit
Prof. Dr. Kai-Uwe Schnapp und Brian Robert Dietrich von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg waren an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt „Bedarfsgerechtigkeit und Verteilungsprozeduren“ beteiligt. In diesem Rahmen haben sie von März bis Juli 2021 insgesamt 37 qualitative Leitfaden-Interviews mit Mitarbeitenden in drei Jobcentern deutscher Großstädte geführt. Die Zielrichtung der Fragestellung: Wie greifen die Wahrnehmung und Nutzung von Ermessensspielräumen und die Einstellung zu Bedürftigkeit und Bedarfsdeckung ineinander? In der praktischen Arbeit treffen die Mitarbeitenden der Sozialverwaltung laufend Ermessensentscheidungen. Sie legen dabei Gesetze und Verordnungen zugrunde und orientieren sich an eigenen Norm- und Wertvorstellungen. Die Wissenschaftler kommen in ihrer Untersuchung zu diesem Ergebnis: Die Bedarfsvorstellungen der Mitarbeitenden reichen von einer rudimentären Grundversorgung bis hin zur Sicherung einer umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Eine umfassende gesellschaftliche Unterstützung bei der Deckung dieser Bedarfe wird von einem Teil der Mitarbeitenden als bedingungsloses Grundrecht angesehen, andere knüpfen die Gewährung von Unterstützungsleistungen an umfassende Bedingungen. Die Untersuchung identifiziert die folgenden vier Bedarfskategorien:

Die konkreten Schlussfolgerungen der Hamburger Wissenschaftler: Eigene Wert- und Normvorstellungen sind konstanter und stabiler als Gesetze und Vorgaben. Stehen Werte und Vorgaben nicht in Einklang, kann dies zu Entfremdung und Missmanagement führen. Änderungen der Gesetzesgrundlagen müssen mit Prozessen einhergehen, die Diskussion und Reflektion zu Bedarfsfragen unter den Mitarbeitenden fördern. Fazit: Wert- und Normvorstellungen der Mitarbeitenden müssen bei der Neugestaltung des Bürgergelds berücksichtigt werden.