Wie Lehrstellen zu Leerstellen wurden
Im letzten Monat haben sich viele junge Menschen in Hessen auf den Weg gemacht und ihre hoffentlich lange Reise durch das Berufsleben begonnen.
Gleichzeitig wurden den hessischen Agenturen für Arbeit rund 35.000 Ausbildungsplätze in diesem Jahr gemeldet und nicht alle Stellen konnten zum Stichtag besetzt werden. Woran liegt das?
Konnten die Betriebe früher aus einer Vielzahl von Bewerber:innen auswählen, sieht es heute ganz anders aus. Immer mehr Ausbildungsbetriebe – ob in der Industrie oder dem Handwerk – haben große Schwierigkeiten, junge Menschen für eine Ausbildung und letztendlich für ihre Branche zu gewinnen. Allein 42 Prozent aller IHK-Ausbildungsbetriebe konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Nach der aktuellen Ausbildungsumfrage der DIHK ein Anstieg um 10 Prozentpunkte. 36 Prozent der befragten IHK-Betriebe erhielten sogar keine einzige Bewerbung. Die Schere zwischen Ausbildungsangeboten und nachfragenden Jugendlichen klafft immer weiter auseinander. Der Anlass zur Sorge ist berechtigt, da sich der Fachkräftebedarf weiter verschärft. Gleichzeitig sehen wir, dass die Mehrzahl der arbeitslosen Frauen und Männer in Hessen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Wer seine Reise in die Arbeitswelt ohne formale Qualifikation beginnt, läuft Gefahr, öfters und länger arbeitslos zu sein.
Die Gründe dafür, dass es immer schwerer wird, Ausbildungsplätze zu besetzen, sind vielfältig. Natürlich macht die demografische Entwicklung es Ausbildungsbetrieben immer schwerer, Auszubildende zu finden. Gleichzeitig entscheiden sich von den Schülern immer mehr, den Schulbesuch zu verlängern und einen möglichst hohen Schulabschluss zu erlangen. Zum einen scheint die nachwachsende Generation den Einstieg in das Berufsleben soweit wie möglich hinauszuzögern, oftmals auch weil sie unentschlossen sind, welchen beruflichen Weg sie einschlagen sollen. Zum anderen ist auch die Zahl der Studierenden an den hessischen Hochschulen deutlich angestiegen. Oftmals verbunden mit dem Gedanken, dass ein Aufstieg am besten durch ein Studium gelänge. Vielleicht haben sie und ihre Eltern aber auch nur das verinnerlicht, was seit Jahren für uns alle verbriefte Erkenntnis ist und war: Aufstieg gelinge durch Bildung und das am besten durch ein Studium.
Hinzu kommt, dass auch Corona viele junge Menschen davon abgehalten hat, Praktika zu absolvieren, die Berufsberater:innen der Agenturen für Arbeit an ihren Schulen zu kontaktieren oder die Berufsinformationszentren (BiZ) der BA zu besuchen. Damit ist deren Unsicherheit über eine passende berufliche Alternative noch gestiegen.

(Aus-)Bildung ist der beste Reiseproviant für die Reise zum hohen Alter (Aristoteles)
Wie können wir in dieser Situation die jungen Menschen in Hessen darin unterstützen, einen für sie guten beruflichen Weg zu finden und gleichzeitig über Ausbildungsberufe als gleichwertige Alternative zu informieren?
Interessant dabei ist vor allem, was die jungen Menschen bewegt. Dabei stoßen wir jedes Jahr bei unterschiedlichen Untersuchungen und Befragungen auf bereits bekannte Erkenntnisse: Viele junge Frauen haben Vorbehalte gegen MINT-Berufe und junge Frauen wählen immer noch mehrheitlich Ausbildungsberufe, die wenig Aufstiegschancen und geringe Verdienstmöglichkeiten bedeuten. Zudem suchen Jugendliche gerade in dem für sie schwer durchschaubaren Feld der Berufsorientierung weniger digital angebotene Produkte, als vielmehr jemanden, der ihnen beratend zur Seite steht und Orientierung bietet.
Die Agenturen für Arbeit in Hessen unterstützen diese jungen Menschen, aber auch Eltern und Lehrer mit ihren vielfältigen Angeboten bei der Berufsorientierung. Das geschieht zum Beispiel im direkten Kontakt der Berufsberater*innen und Schüler*innen oder bei Elternabenden, in den BiZen der Agenturen oder durch eine Vielzahl digitaler Angebote. Dabei spielt die Information zu den Möglichkeiten einer dualen Ausbildung eine wichtige Rolle. Fast alle dualen Ausbildungsplätze werden jedes Jahr bei den Agenturen für Arbeit registriert und können so allen interessierten Jugendlichen im direkten Gespräch angeboten oder über unsere Onlineplattformen abgerufen werden. Zusätzlich unterstützen wir Betriebe finanziell durch ausbildungsbegleitende Hilfen. Durch die Nachvermittlungsaktion, die bis Ende des Jahres laufen wird, werden wir bis Ende Dezember sicherlich noch eine Vielzahl von Ausbildungsstellen besetzen können.
Wir in der BA wollen weiter daran arbeiten, dass die duale Ausbildung für junge Menschen wieder zu einem wichtigen „Reisebegleiter“ wird, der hervorragende Karrieremöglichkeiten bietet.